Neulich beim Tierarzt

Eine Woche, nachdem sich Ulrike eine kleinen Operation unterziehen musste, nahm sie die Arbeit in ihrer Tierarztpraxis wieder auf, wo sie schon eine Menge an Patienten erwartete …

Fifi, ihre Umgebung nannte sie schlicht „Die Gräfin“, führte sich auch so auf, als sie in die Ordination von der Dr. Ulrike gebracht wurde. Natürlich im fast goldenen Körbchen, verschlossen, aber mit Ausguck genug, um sich mit und vor allem über die anderen Patientinnen und Patienten scheinbar pointiert lustig machen zu können.
Ganz anders war da Franz, der Stadtfilou, ein frecher, lustiger Jack Russel Terrier, gestrickt, der, stets einen Witz auf Lager, aber hier ziemlich cosy auf etwas wartete, das ihm nun nichts Gutes zu verheißen schien, daher verhielt er sich zur Sicherheit still, denn ein Besuch bei Frau Dr. Ulrike verhieß für ihn nichts Gutes.
Wiederum anders verhielt sich der Wellensittich namens Lori, der/die, so genau wussten das seine/ihre Besitzer zwar auch nicht, der/die die Körndln, die man ihm/ihr täglich liebevoll servierte, seit Tagen verweigerte.

„Na ja, soooo prickelnd finde ich da Etablissement wieder auch nicht, obwohl man ja sagt, dass die Dr. Ulrike schon etwas Besonderes zu sein scheint,“ näselte die Gräfin, dass der Franz, mit dem Schwanz heftig wedelnd, am schnellsten zu antworten hatte, wie er meinte: „Gräfin, das ist natürlich ein absoluter Schaß, was du da sagst, denn ich kenn‘ die schon gut. Zwar war es kein wahnsinnig schönes Erlebnis, als sie mir die Gogerln abgezwickt hat, aber das Leckerli hat mich, wie auch die Zeit danach, schon beruhigt.“
„Naja, das ist ja auch mein Problem,“ meinte die Gräfin, „denn Prinzessinnen gibt es von mir natürlich auch keine, und sooo grenzenlos ist der Appetit  wieder auch nicht, wenn man, damit konfrontiert ist … naja eben.“
Lori war sich sicher, sie musste sich jetzt einfach einschalten, in diese Vögelpartie, denn immerhin beflog sie ja alles, von Käfigmauer zu Käfigmauer: „Die haben damals ja gedacht, dass wir Mann und Frau waren und daher  einen, zugegeben ziemlich großen aber doch Käfig gekauft und uns eingesperrt, in dem wir sogar eine Runde fliegen konnten, aber Mann und Mädel waren wir natürlich nicht. Lange Rede, kurzer Sinn: jetzt ist sie gestorben, und die Schmuserei, nur fürs im und am Käfig, sorry, aufgrund der Großzügigkeit nennt man das „Voliere“, trauere ich ein wenig um sie, der kleinen  Tussi. In Wahrheit war sie eh ein Ekel. Und ihre Körndln mag ich auch nicht. Darum bin ich eigentlich da, und die Ulrike, entschuldigt, so viel Zeit muss schon sein, die Dr. Ulrike, kennt sich da aus. Da gibt es andere Körndln, eine für Solo-Frauen!
Er wedelt schon weder mit seinem Schwanz: „Viel passiert eh nicht, ein Leckerli gibt’s auch, vielleicht habe ich schlicht die Hundekrankheit. Die Chefin wird‘s schon wissen.“ Und sein Schwanz wedelt ohne Unterlass und ziemlich heftig, fast freudig erwartend, was Dr. Ulrike mit ihm wohl aufführen mochte, abhängig von seinem Gesundheitszustand. Seine Chefin, wie er sie nannte, war immer bedacht darauf, sich und ihn gescheit zu halten, denn Jack Russell Terrier geben den Besitzern auch einiges an Aufgaben auf. Da ist natürlich die Dr. Ulrike eine gute Anlaufstelle, denn, kaum dass sie aus ihrer kranken Woche zurück ist, kümmert sie sich um Franz & Co.
So auch um die Gräfin, die, zugegebenermaßen , ziemlich zickt. Eigentlich hat sie ja gar nichts, aber das versucht sie, standesgemäß zur Schau zu stellen, auch ihre Besitzerin. Dr. Ulrike kann sich im Grunde ja gar nicht vorstellen, wie es dazu gekommen ist, dass sich die Gräfin und ihre affektierte Besitzerin überhaupt zu ihr verirren konnten, aber Sachen gibt’s, die glaubst du nicht.  „Was habt ihr beide“, fragte schließlich Dr. Ulrike genervt, ließ sich aber vor den beiden nichts anmerken. „Was machen die beiden hier, im 15ten?“ war die nächste  Frage, die sie sich stellte. „Fifi und ihre Neigung, sich an Wellensittichen zu vergehen, macht mich ganz fertig,“ gestand die echte Gräfin. „Du, als sie letzte Woche einem solchen den Garaus gemacht hat, geht es mir natürlich nicht aus dem Kopf, denn ich weiß nicht, wie ich die Fifi davon abhalten kann, sich an den Wellensittichen der Umgebung zu vergehen.“

Anscheinend war die Tür zu Dr. Ulrikes Behandlungsraum versehentlich einen Spalt geöffnet, denn unmittelbar, nach dem die Frauen die bedeutungsschweren Sätze beendet hatten, nahm das Schicksal seinen Lauf.

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