Rotes Linsen Chili

„Von denen könnte ich mich ausschließlich ernähren,“ bemerkte sie ebenso beiläufig wie bestimmt, sodass er annehmen musste, dass es von Vorteil wäre, sich mit dieser Form der Ernährung anzufreunden, wollte er daran denken, den Wirbelwind bisweilen ins Auge zu blicken, um es meteorologisch auszudrücken. Nun, aus diesem Blickwinkel betrachtet, offenbarte sich die neue Welt um ihn gleich viel vertrauter, denn er war ein Mann, dem es durchaus geläufig war, der Gefahr sozusagen ins Auge zu blicken, wenn sich der Sturm ankündigte. „Rotes Linsen Chili“ weiterlesen

Ganz so wie wir

Biene: Gnädiges Fräulein, darf ich es wagen?

Blümchen: Was?

Biene: Nun, der Lenz, die Frühlingsluft und Ihr ganz besonderer Duft …

Blümchen: Seltsame Anmache. Was belieben Sie zu tun?

Biene: Naja, was man so tut in der grünen Wiese, wenn der Frühling kommt, die Sonne scheint und man sich unbeobachtet fühlt.

Blümchen: Pflücken etwa? Igitt, man verschone mich davor. Ich welke ohnehin schon früh genug. Man lasse mir die Freude, meine Blütenpracht zu genießen.

Biene: Aber nicht doch! Es ist Ihr Duft, der mich betört, der den einen Wunsch in mir weckt, Ihnen näher zu kommen. Ganz nah, so dass wir einander spüren können und bald ganz glücklich sind zusammen.

Blümchen: Meinen Sie? Hier auf der Dorfwiese? Inmitten all der anderen Blumen und Bienen? Haben Sie denn überhaupt keinen Genierer? Das lassen wir besser.

Biene: Seit Stunden schon bete ich Sie an, denke an die Pracht Ihrer Blüten, den hinreißenden Duft des Nektars, der Sie umgibt … Meine Gedanken werden wirr, wenn ich daran denke, wie wir vereint sind inmitten des jungen Frühlingsglücks, wenn unsere Kinder einst die Wiese mit neuem Glanz bevölkern und den Lauf des Lebens fortsetzen! Wir sind gemacht, um die Schöpfung weiterzutragen, ins nächste Jahr, bis in alle Ewigkeit und noch ein Stück weiter!

Blümchen: Meinen Sie wirklich?

Biene: Ich bin überzeugt davon. Geben Sie unserem Glück eine Chance und erhören Sie mein Flehen!

Blümchen: Und das mir! Mit einer Biene!

Susi und Wolfi

Sie hatten es kaum erwarten können. Die Frühlingssonne versank langsam hinter den Mauern der an den Garten angrenzenden Gründerzeithäuser, ihnen war es vergönnt, in dieser Großstadtoase zu wohnen, wo sie einander auch gefunden hatten … und sich in ihrer frühen Jugend ineinander verliebten. Das Grün mit seinen kreisförmig aufgestellten Bänken bot Platz zu ausgiebigem Plaudern am Nachmittag und wohl auch, um den neuesten Klatsch aus der Wohnhausanlage auszutauschen. Für die junge Generation stellte er ein Paradies dar, wo gespielt, getollt, heftig gestritten wurde, wieder Versöhnung einkehrte und schon einmal zwei ein Auge aufeinander werfen konnten. Susi und Wolfi zogen sich zumeist hinter einen der großzügig angelegten Sträucher zurück und genossen ihre Zweisamkeit, abgeschottet von den Rabauken, die ihr Fußballspiel mit lautstarken Zurufen und Kommentaren begleiteten. „Susi und Wolfi“ weiterlesen

Im Supermarkt

Auf der Suche nach den Kokosraspeln für die Weihnachtskekse war ich Bei BILLA nicht erfolgreich, dafür aber im Ansprechen der entzückenden und zarten Verkäuferin, blond, die Haare kokett hochgesteckt, mit entzückendem slawischem Akzent, die  meine Frage, wo ich hier welche fände, zwar verneinte, aber mich bereitwillig zu dem Regal führte, wohl um mir zu zeigen, was man sonst an einschlägigem Sortiment erstehen könne. „Kokosette,“ erspähte sie, aber das war nicht das Richtige. Doch dabei konnte ich zum ersten Mal die Gelegenheit wahrnehmen, mit ihr ins Gespräch zu kommen, denn normalerweise beschränkte sich unsere Konversation auf ein stilles, einander zwar anerkennendes Lächeln oder ein „Schönen Tag noch“ an der Kassa, beim Bezahlen. „Im Supermarkt“ weiterlesen

Klaus und Barbara

Das Jahr neigt sich dem Ende zu,
trägt altes Grau auf seinem Haupt.
Allein wirst du im Winter wandern,
ach, wär’ Geselligkeit erlaubt.
Sie pflückt am Weg vom Apfelbaum
den dürren Zweig,
doch Hoffnung hat sie kaum.
Träumt vom Gefährten,
der ihr begegnen möge,
den Weg dann mit ihr teilt.

Es sollte beider Festtag werden,
im Winter, wo sich Blicke trafen,
spät im Jahr, im Nebelgrau.
Der Zweig vom Apfelbaum,
wurde bald ihr Liebespfand,
erblühte in der Wintersonne,
erfüllte seinen, ihren Traum:
zu zweit, gemeinsam, Hand in Hand.

10er Marie

Am Schwedenplatz stieg sie in den Anhängerwaggon der Linie 2 zu. Mich faszinierte die aparte Frau, so um die vierzig, blondes Haar, gepflegte Frisur und vor allem ihr frecher Blick, ihr anziehendes Lächeln, Herausforderung, Aufforderung zum Tanz sozusagen. So nahm ein überraschender Sommernachmittag seinen Anfang. Ich erwiderte ihr Lächeln, ein erstes verbales Abtasten ließ mich sicher werden, sich auf dem richtigen Weg zu befinden und den wollten wir draußen in Ottakring, im Liebhartstal, fortsetzen. Zu viel an Gemeinsamkeiten entdeckten wir soeben, zu viel, als dass es ungesagt bleiben könnte. „10er Marie“ weiterlesen

Das Donauweibchen

Gelegenheiten wie diese ergeben sich selten: im Zuge der Besichtigung des Bezirksmuseums durch unsere Pinguine bei Georg Friedler traf Jean Génie auf Prof. Dr. Wolfram Plauscher, seines Zeichens DIE Koryphäe in unseren Breiten, wenn es darum geht, sonderbare Lebensformen zu erkennen. Génie befragte ihn zu einem der brisantesten Themen, die das Grätzl seit Menschengedenken bewegen.

Unser Kameramann Wilhelm Kramermann war rechtzeitig zur Stelle und filmte die Ausführungen des Geleerten.

Mutproben

Im Grunde bin ich hart im Nehmen. Unsere Hausärztin während meiner Kindertage meinte schon, dass ich die konsumierenden Chilischoten getrost gegen ein paar Stamperl Schwefelsäure hätte tauschen können. Grüne Zwetschgen, ebenso wie Äpfel im Frühsommer zählten zu meinen Leibgerichten, ich begeisterte mich für Essen mit Stäbchen bereits in den 70er Jahren (ordentlich scharf natürlich) ohne mir dabei die Augen auszustechen, Sushi verfiel ich heldenhaft, als sich die g’standene Wiener kulinarische Seele, wenn roh, dann mit dem Surspeck und höchstens dem Bieftratara anfreunden konnte. „Mutproben“ weiterlesen

Die Reise zu den Marillen

Eines Tages gelüstete es König Tassilo, zum Frühstück wieder einmal eine echt gute Marmelade aufs Brot zu streichen. Nicht die, welche die Königin Mutter mit ihren gleichaltrigen, verzopften Hofdamen letztes Jahr zubereitet hatte und von der sie meinte, so lange die nicht aufgegessen sei, gäbe es keine frische, und wenn die Saueräpfel in diesem Jahr den Spatzen geopfert würden. Saueräpfel! Wer hatte davon jemals gehört, geschweige denn, sie essen müssen! Und ausgerechnet er, König über Wald, Wiese, Dorf und den Drachen Jonathan, musste das Regiment der alten Dame ertragen. „Die Reise zu den Marillen“ weiterlesen