Miniaturen: Komposita II

Hutkarzinom

„Heast Oida,“ hörte man bisweilen in anrüchigen Lokalen längs des ehemaligen Linienwalls, „wos host denn du fia a schiaches Wimmerl am Hois! Kumm her, Nudelaug’, i druck’ dir’s aus.“
Ganz anders erklang gleichbedeutendes stadeinwärts, am ehemaligen Ringstraßenkorso, dort wo man sich sonntags zum Flanieren einfand, seinesgleichen traf, dem Kaiser und anderen hochwohlgeborenen Kalamitäten frönte und auch sonst kein gutes Haar an der haute volée ließ. Vor allem der jüngst aus Galizien zugezogene Maurice Lafontaine, der einst Moritz Wasserstrahl, respektive Moische Pischer hieß und ob seines seltsamen Aussehens allseits die Aufmerksamkeit erregte, wurde vom berühmten Wiener Mediziner Theodor Billroth mit dem terminus technicus „Hutkarzinom“ bedacht und lud ihn alsbald in seine Döblinger Praxis ein, um ihm dieses auf chirurgischem Wege zu entfernen.

Miniaturen: Komposita I

Sonnenprobe

oder: Die Schöpfung. Wir erinnern uns: In sieben Tagen erschuf Gott die Welt und die Gestirne um uns, Aber da war er schon erwachsen! Doch schon im zarten Alter von nur vier Jahren begann er für die Ausübung seines Handwerks zu proben, zu üben. Und bei der Gelegenheit gelangen ihm der Stechapfel, aus dem im Rahmen der Evolution später der Igel, bzw. seine Großmutter, Granny Smith hervorgehen sollten. oder denken wir an seinen ersten Missgriff, den Granatapfel, ein Teufelswerk, wie uns die spätere Geschichte lehren sollte.
So werkte er unverdrossen auf seinem göttlichen Spielplatz dahin, bis er bemerkte, dass er seine frühen Werke doch gar nicht sehen konnte! „Licht, Licht,“ rief er deshalb lauthals, und so geschah es: Die erste Sonne war geboren. Doch dass auch dieser Versuch eine Menge an Verbesserungen bedurfte, stellte sich erst viel spter heraus … denn es wurde nicht Licht, sondern bloß Heller.

Im Supermarkt

Auf der Suche nach den Kokosraspeln für die Weihnachtskekse war ich Bei BILLA nicht erfolgreich, dafür aber im Ansprechen der entzückenden und zarten Verkäuferin, blond, die Haare kokett hochgesteckt, mit entzückendem slawischem Akzent, die  meine Frage, wo ich hier welche fände, zwar verneinte, aber mich bereitwillig zu dem Regal führte, wohl um mir zu zeigen, was man sonst an einschlägigem Sortiment erstehen könne. „Kokosette,“ erspähte sie, aber das war nicht das Richtige. Doch dabei konnte ich zum ersten Mal die Gelegenheit wahrnehmen, mit ihr ins Gespräch zu kommen, denn normalerweise beschränkte sich unsere Konversation auf ein stilles, einander zwar anerkennendes Lächeln oder ein „Schönen Tag noch“ an der Kassa, beim Bezahlen. „Im Supermarkt“ weiterlesen

Klaus und Barbara

Das Jahr neigt sich dem Ende zu,
trägt altes Grau auf seinem Haupt.
Allein wirst du im Winter wandern,
ach, wär’ Geselligkeit erlaubt.
Sie pflückt am Weg vom Apfelbaum
den dürren Zweig,
doch Hoffnung hat sie kaum.
Träumt vom Gefährten,
der ihr begegnen möge,
den Weg dann mit ihr teilt.

Es sollte beider Festtag werden,
im Winter, wo sich Blicke trafen,
spät im Jahr, im Nebelgrau.
Der Zweig vom Apfelbaum,
wurde bald ihr Liebespfand,
erblühte in der Wintersonne,
erfüllte seinen, ihren Traum:
zu zweit, gemeinsam, Hand in Hand.

10er Marie

Am Schwedenplatz stieg sie in den Anhängerwaggon der Linie 2 zu. Mich faszinierte die aparte Frau, so um die vierzig, blondes Haar, gepflegte Frisur und vor allem ihr frecher Blick, ihr anziehendes Lächeln, Herausforderung, Aufforderung zum Tanz sozusagen. So nahm ein überraschender Sommernachmittag seinen Anfang. Ich erwiderte ihr Lächeln, ein erstes verbales Abtasten ließ mich sicher werden, sich auf dem richtigen Weg zu befinden und den wollten wir draußen in Ottakring, im Liebhartstal, fortsetzen. Zu viel an Gemeinsamkeiten entdeckten wir soeben, zu viel, als dass es ungesagt bleiben könnte. „10er Marie“ weiterlesen

Nachtrag zu Morgenseiten vom 29.11.

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Der Verfasser kann aufatmen, und der Montblanc Shop am Graben schaut sozusagen in die Röhre: Hat mich vor einigen Tagen der Verlust meiner vor mehr als 15 Jahren erstandenen Lebensgefährtin samt Teleskopstift (sehr nützliches und vor allem obergescheit anmutendes Werkzeug) und Etui geplagt, stellte sich dieser heute als nur gut versteckt dar. Wir haben einander wieder, und daher steht literarischen Gipfelstürmen nichts mehr im Wege!

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Morgenseiten vom 29.11.

Stichwort: Er hatte sich eine Füllfeder gekauft.

Und das kam so: Als langjähriger Liebhaber fast der gesamten Kollektion aus dem Hause Montblanc war er selbstverständlich einer eloquenten Feder, schwarz mit goldenen Ornamenten und neben seinem Hauptwerkzeug, ohne das er nie das Haus verließ, sprang ein dazu passender Kugelschreiber ein, wenn etwa die Tinte zur Neige gegangen war, oder er, was selten genug vorkam, seine Fülli versehentlich zu hause vergessen hatte. Dementsprechend trist gestaltete sich daher der Sinn des Daseins des ewigen Ersatzmannes, und so war es kein Wunder, dass nicht nur die Gedanken eines kaum beachteten Wegbegleiters vertrockneten, sondern auch die Tinte in seiner Patrone. „Morgenseiten vom 29.11.“ weiterlesen

Morgenseiten vom 6.10.2

Stichworte:
Das Schlimmste ist zu Ende gedacht
Du wirst nicht in den Winter geboren
Schubert stand auf und sang die Winterreise

„Das Schlimmste ist zu Ende gedacht“, sagte er noch zu sich selbst, aber es kam noch schlimmer. Der Kalender hatte es schon angekündigt, aber daran glaubte wohl noch keiner, so strahlend, sommerlich und nicht zuletzt badefreudig präsentierten sich die Septembertage, dass er es genoss, seine Schritte noch ein paarmal zur nahen Alten Donau zu lenken, sich seiner Kleider zu entledigen, ins Wasser zu springen und noch ein paar Runden schwimmend den späten Sommer zu genießen. „Morgenseiten vom 6.10.2“ weiterlesen

Morgenseiten vom 6.10.

Stichwort: plötzlich aufgestanden und gegangen

In Wahrheit hat es sich den ganzen Tag angekündigt: sprichwörtlich mit dem linken Fuß aufgestanden, das Wasser unter der Dusche wollte nicht warm werden, der Kaffee war aus und beim Zuschnüren riss das Schuhband. Was sollte man an einen solchen Tag noch erwarten? Aber er wollte sich nicht unterkriegen lassen, von keiner Widrigkeit, die das Leben mit sich brachte, ließ er sich unterkriegen, Schicksalschläge, kleine wie große, sind Prüfungen, die man bestehen muss um am und im Leben zu reifen! „Morgenseiten vom 6.10.“ weiterlesen