Morgenseiten vom 6.10.

Stichwort: plötzlich aufgestanden und gegangen

In Wahrheit hat es sich den ganzen Tag angekündigt: sprichwörtlich mit dem linken Fuß aufgestanden, das Wasser unter der Dusche wollte nicht warm werden, der Kaffee war aus und beim Zuschnüren riss das Schuhband. Was sollte man an einen solchen Tag noch erwarten? Aber er wollte sich nicht unterkriegen lassen, von keiner Widrigkeit, die das Leben mit sich brachte, ließ er sich unterkriegen, Schicksalschläge, kleine wie große, sind Prüfungen, die man bestehen muss um am und im Leben zu reifen!
Mit dieser Einstellung ertrug er es auch leichter, dem Bus, der Fahrer schloss vor seiner Nase die Türe, mit einem Lächeln nachzusehen, auch der nachfolgende Lastwagen, der ihm den Inhalt der Pfütze auf seinen neuen Mantel spritzte, konnte seiner guten Laune nichts anhaben. So setzte sich sein schwarzer Montag konsequent fort, ein unglückliches Ereignis jagte das nächste, und als sich die Sonne ihrem Untergang zuneigte, galt der wohl auch ihm, denn beim gemütlichen Beisammensein im nahen Beisl ums Eck führte das Gespräch plötzlich zum letzten Wochenende, dorthin, wo die Miseren eigentlich ihren Anfang genommen hatten: Beim Fußball hatte sein Lieblingsverein hatte letzten Sonntag, noch dazu gegen einen vermeintlichen Jausengegner einer bittere Niederlage einstecken müssen. 0:7 war das Match ausgegangen und noch dazu zu Hause. Erstanden im Geiste seines Fußballclubs war es diese Schmach, die ihn seit Sonntag erschlug. Dieser Prüfung war er natürlich nicht gewachsen, diese Schande bis zum nächsten Wochenende zu ertragen!
Natürlich schien es unvermeidlich, dass das Spiel an diesem Abend ausführlich analysiert wurde. Tor für Tor, misslingener Spielzug für misslungener Spielzug wurde ausgeschlachtet, das Team von Spezialisten am Stammtisch machte sich über jeden Fehler der Mannschaft lustig, begleitet von den derben Späßen der Runde, und er litt, litt tausend Tode, bis er es nicht mehr ertragen konnte: „Plötzlich war er aufgestanden und ist gegangen,“ bemerkte der, der ihm noch lange ins Dunkel nachblickte und ihn in der Nacht entschwinden sah.

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