Komposita: Lebenslauf

Es war damals im Lenz. Kaum hatte sich der frostige Winter dem nahenden Frühling geschlagen geben müssen und für einige Monate das Weite gesucht, erstrahlte auch die Wiese in saftigem Grün, Flora und Fauna erfreuten sich, unterstützt durch das kräftigende Licht der Sonne frischen Mutes und lachten gleichsam ihr neu erwachtes Leben in aller gebotenen Geschäftigkeit und Farbenpracht in die Welt hinaus. So erging es in diesen Tagen auch dem Heideröschen, kaum dass sie ihre Knospe wahrzunehmen imstande war, die in gar nicht ferner Zukunft zur prachtvollen Rose reifen würde.

Kaum, dass der Lenz sich sein Stelldichein gegeben hatte, waren auch schon die fleißigen Bienen zur Stelle, die das ihre taten, um die Blütenpracht ihrer von der Schöpfung zugedachten Aufgabe zu bedenken. Denn nur kurz durften diese sich daran erfreuen, welkten nach kurzer Lebensfreude schon dahin, um ihrem Geschlecht den Fortbestand in Form von Apfel, Birne, Kirsche und so manch anderer wohlschmeckenden Frucht zu ermöglichen. So nahm der Kreislauf des Daseins unvermeidlich seinen Gang, die Früchte fielen, wenn der Herbst dereinst kommen mochte, reif vom Baum und spendeten dem sich bald zur Ruhe begebenden Boden noch einen letzten Gruß ihrer selbst, diesen mahnend, dass er auf die Saat achten möge, um aus ihr neues Leben entstehen zu lassen.
Ganz anders erging es dem Heideröschen. Kaum, dass es sich ihres Reizes bewusst war und sie sich wohlig in der Sonne räkelte, sich von ihren warmen Strahlen umschmeicheln ließ, becirct wurde vom Gesang der fröhlichen Vögel und dem Gesumm der fleißigen Bienen, ergab es sich, dass ein Jüngling des Weges kam. Hingerissen von ihrer Anmut und dem Konzert des Frühlings machte er Halt auf seinem Weg und wurde hingerissen vom Zauber der grenzenlosen Anmut, die sich ihm offenbarte. Kaum hatte er Schöneres gefunden, um diese Pracht, ihre Sinnlichkeit in Worten zu beschreiben und wohl auch solche, um ihrer habhaft zu werden. So kam, was kommen musste, er brach das Heideröschen an diesem lauen Frühlingsnachmittag, und schon war ihre schönste Stunde ihres noch jungen Lebens auch schon, so schien es, für immer entschwunden. Was blieb, war Wehmut und der Wunsch, das Erlebte bis zur Unendlichkeit fortwähren zu lassen.
So begab sich Heideröschen in die nahe Stadt, ihrer Anmut verdankte sie, die nun zu einer prachtvollen Rose heranreifte, dass ihr allseits begehrliche Blicken geschenkt wurden, doch nur wenigen sollte es gegönnt sein, auch die Geheimnisse zu erkunden, die sich hinter dem Antlitz, gleich einer jungen Königin, verbergen sollte. Einer Königin geziemend begab es sich auch, dass Edel- und begüterte Männer aus dem Volke zwar, aber von Stand, vor ihr niederknieten, um sich, wenn auch nur kurz, ihrer Gunst zu erfreuen. So geschah es dann auch: „Deine Zeit ist um,“ wurde bald zu ihrem geflügelten Wort nach einer kurzen Zeit im Paradies, das sie der Schar ihrer Verehrer zuwarf. Diese waren jedoch glücklich, ihrer gewahr worden zu sein und freuten sich, wieder einmal, eines Tages, ihre Gunst finden zu dürfen.
So ging der Frühling ins Land, dem folgte ein Sommer der Leidenschaft, die diesem an Hitze und auch gedeihender Pracht der mittlerweile zur Heiderose gereiften um nichts nachstand, sie genoss das Leben als Gönnerin der feinen Gesellschaft, auch wenn sie schließlich gekrönten Häuptern mit fester Stimme ihr „Die Zeit ist um“ entgegen schmetterte. So konnte das Leben für immer weitergehen, in der Tat! Die weibliche Haute Volée tuschelte zwar hinter vorgehaltener Hand, ihre Männer jedoch prahlten mit der Gunst, die sie ihnen geschenkt hatte, und der August nahm seinen Lauf.
Nicht nur die rauschenden Sommerbälle neigten sich dem Ende zu, auch Heidenrose verlor so manches Blatt in ihrer Blüte, denn die ersten Herbststürme zerzausten sie, der Blütenkopf, der sich ihnen zwar versucht entgegenstellte, musste sich beugen, die kalten Regentropfen des nahenden Oktober, der Nebel im November taten ihr übriges. Kaum noch besuchten sie Prinz und Edelmann, alleine fristete sie ihre Tage in Einsamkeit und Tristesse: „Meine Zeit ist um,“ waren ihre letzten Worte, die man hätte vernehmen können, hätte sie jemand gehört.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.