Spatzi-Post 430

Jetzt bricht er an, der Tag der Tage, auf den ich schon so lange warte. Als mir vor über einem Jahr ein Krebsleiden attestiert wurde (die Prostata), das operativ behandelt werden muss, dann aber verschoben wurde, weil der (Herz)kasperl statt dem bösen Krokodil mir eine mit dem Knüppel überzog und mir schließlich der unheilige Corona eine weitere, wenn auch kurze Verzögerung beschied, ist es nun soweit.

Gestern habe ich daher meinen Wohnsitz ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder verlegt und bereitete mich gemeinsam mit den Ärztinnen, Ärzten und dem Pflegepersonal auf den heutigen Tag, den des Eingriffs, vor, die mich über alles, was in der nächsten Zeit auf mich zukommt, engagiert und eindringlich informierten, so viel, dass ich das eine oder andere Detail von dem, was mich nun erwartet, gar nicht zwingend wissen wollte.
Daher widmete ich den Tag auch der Erforschung meiner näheren Umgebung, entdeckte bald Essentielles, nämlich dass die hauseigene Caféteria auch in Coronazeiten (eingeschränkt) geöffnet hat, genehmigte mir und meinen beiden Zimmernachbarn je einen  Super-Espresso-To-Go, hängte mich auch gleich ans hauseigene WLAN und genoss etwas weniger das hauseigene Abendmenü, das, zugegebenermaßen und im Hinblick auf heute eher bescheiden ausfiel.
Glücklicherweise vertrieben mir Smartphone und meine smarten, vor allem aber lieben Freundinnen und Freunde den Tag, bis der sich endgültig dem Ende zuneigte und mich auf die nächste, aber gleichzeitig letzte Herausforderung brachial aufmerksam machte.
Wenn ich so gar nicht einschlafen und daher die Droge TV nicht nutzen kann, Columbo also auswärts isst, dann liege ich in der Regel im Bett, schließe die Augen und versuche, mir eine schöne Geschichte auszudenken, die, wenn sie sich ihrem spannenden Höhepunkt nähert, mich dann in tiefen, wohligen Schlaf versetzt.
Daher die Pointe vorweg: Nicht so gestern. Bis zu dem Punkt „… liege ich in der Regel im Bett“ stimmt‘s, aber die süßen Träume, die schönen Geschichten etwa um den Oberarzt vom Königsee, der die arme Küchenmagd auf sein Pferd nimmt und sie zu sich nach Hause in die einsame Blockhütte im Märchenwald entführt … Das Konzept hätte ja gestimmt, allein lahmte entweder das Pferd oder zog der Arzt so kurz vor seinem Ziel, die Küchenmagd zu erobern und sie zu sich in die Blockhütte … den Schwanz ein, was ja hier sogar irgendwie schlüssig erscheint.
So dauerte die vergangene Nacht eben ziemlich viel länger, nicht einmal unterstützt vom Chor des benachbarten Sägewerks, denn meine beiden Zimmerkollegen machten auch kein Auge zu. So war die Nacht getragen von stillem Leid, stummem Wehklagen und ungeduldigem Warten auf die ersten Sonnentrahlen, die den Abschied von hier ein wenig näher rücken lassen sollten.
Im Gegensatz zu den beiden Nachbarn kann ich daran natürlich noch gar nicht denken, denn „post“ ist ja nicht meine Operation, sondern eben bloß die vergangene Nacht. Jetzt heißt es einmal „Nichts frühstücken“, „nicht einmal einen Schluck Wasser bis zur Operation“, zu der ich noch am Vormittag gebracht werden soll.
Daher wünsche ich mir, besser bitte ich euch, nein, flehe ich euch an: genießet heute zwei Gläser vom erlesenen Schampus statt des einen; eines, das euch zu eurem Wohlbefinden gereichen soll, aber auch eines für mich, dann ist der Durst ansatzweise gelöscht, die Moral gefestigt und schließlich bilde ich mir dann ein, dass, wenn ich meine Drogen hier in kürze eingeflößt bekomme, die mich endlich schlafen lassen, mich jemand freudig frohlockend an der Hand in einen neuen Frühlingstag begleitet.
Genau, so machen wir das.

3 Gedanken zu „Spatzi-Post 430“

  1. Lieber Wolfgang,

    ich denke heute an Dich und es wird alles gut gehen. Beim Neujahrskonzert sitzt Du dann mit Schampus vorm Fernsehen oder sogar live dort im Goldenen Saal !!! Und erinnerst Dich an kein Krankenhaus mehr …

    Lg von der „Nachbars-Karzinomerin“ #13 🙂

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