Neujahrspost: So war unser Silvester

Spontan entschlossen sich Dagmar, David und ich, den aktuellen Silvester gemeinsam zu feiern. Für Dagmar und meine Wenigkeit war das insofern eine kleine Sensation, zumal wir den bewährten Weg zum Jahreswechsel schon lange verlassen hatten, diesen Tag in alkoholgetränkter Seligkeit zu feiern und sich lieber jeweils zu Hause verbarrikadierten, David waren für 2016 die Kumpane ausgegangen, und so beschlossen wir, das gelungene Weihnachtsfest von letzter Woche noch einmal aufzulegen. Same Time, same station, new sensations.
Mit gewohnter Professionalität wurde daher ein umfangreicher Katalog erarbeitet, wie sich das Programm des letzten Abends im Jahr gestalten sollte. Wir erreichten auch ein durchaus respektables Ergebnis. Der Silvesterpfad sollte die gute Laune einläuten, am besten mit einem Schluck Sekt, einem Punsch vielleicht, nicht zu früh, damit die gute Laune des alten Herrn namens 2016 nicht womöglich schon vor Sonnenuntergang ertränkt würde, nicht zu spät, damit man den zu erwartenden Horden am Hotspot Stephansplatz noch rechtzeitig entkommen, aber den Hauch von Aufbruchstimmung in vollen Zügen einatmen konnte.
Gesagt, getan. Dagmar hatte eruiert, dass der Weihnachtsmarkt zwischen den beiden Museen mittlerweile zum Silvestermarkt umfunktioniert wurde, was sich allerdings als Irrtum herausstellte. Das das Areal absperrende Personal verwies uns auf den Rathausplatz, der sich schon von weitem unüberhörbar ankündigte. Hier wollten wir nicht bleiben, also zogen wir weiter in Richtung Innenstadt, vorbei an der ehemaligen Walzerstation in der Teinfaltstraße, die ich in vergangenen Tagen schon sehr lieb gewonnen hatte, kam da der Donauwalzer doch schon zur frühen Stunde zu seinem Recht. Den Rang hatte ihr wohl die DJ-Station zwischen Eistraum und ehemaligen Weihnachtsstand’ln abgelaufen. In tiefer Trauer bestellten wir daher an der am Weg liegenden Labstation einem Gläschen Sekt und ließen den Abend bei imaginärem 3/4-Takt kommen. Die Freyung hinter sich lassend, stürzten wir uns ins Getümmel, obwohl Dagmar, vermute ich, einen verträumten Punschstand abseits der Ströme vorgezogen hätte. Aber so etwas spielt’s natürlich an einem Abend wie diesem gar nicht. Da reichte man Orangenpunsch und Glühwein am Graben, in lautstarker Begleitung einer progressiven Blasmusikkapelle, Damen und Herren aus aller Länder und ein erstes wärmendes, vom Magen ausgehendes Gefühl, der begeistert dem wider Erwarten durchaus genießbaren Fruchtgetränk plus seine Gastfreundschaft angeboten hatte.
Nach dieser ersten Etappe wieder zu Hause eingelangt, wurde nun der Parcours der 10.000 Kalorien eröffnet. Es sollte Raclette in der unteren Etage des Grillers geben, oben standen ein Potpourri aus diversen Fleischsorten, Scampi und Würstelvariationen zur Auswahl. Ich übertraf mich wieder einmal selbst im Auflegen der Köstlichkeiten auf den Rost, der geschmolzene Raclettekäse legte konsequent Stein um Stein in meinen Magen, die Unterhaltung erreichte, angereichert durch den süffigen Veltliner, neue Höhepunkte, die sich zweckmäßigerweise um das Naheliegende, die unvorstellbaren Mengen der zu sich genommenen Köstlichkeiten drehten, die Völlerei wurde frohgemut fortgesetzt und fand ihren würdigen Abschluss schließlich in einem Schuss Heißer Liebe, derer wir noch vom Weihnachtsabend gedachten und ihr eine Neuauflage gönnten. So lagen wir bald fast bewegungslos bei der obligaten Verdauungszigarette im Fauteuil und am Sofa und forderten lauthals Schwedenbitter aus der nahe gelegenen Apotheke.
Aber bei der Gelegenheit erzählten wir einander auch die alten Familienerinnerungen zu den gemeinsamen Silvestererlebnissen, allen voran eine Win-Win-Geschichte: David, damals im zarten Alter von nicht einmal fünf Jahren, war überzeugt davon, in jenem Jahr „bis Mitternacht durchzuhalten“ um mit den Erwachsenen gleichzuziehen. Dagmar und ich dachten damals schon mehr an die Fahrt in den am nächsten Tag bevorstehenden Winterurlaub und nicht daran, es ihm gleich zu tun. So drehten wir schlicht alle Uhren im Haus um drei Stunden vor, und begrüßten das Neue Jahr in Klosterneuburg als erste in town. Stilgerecht mit Feuerwerk, Knallern, Bleigießen und den großen Respekt, den wir dem Junior zollten, mit Bravour auch diese neue Herausforderung gemeistert zu haben. Am nächsten Morgen begrüßten uns ein mit Schnee angezuckerter Bilderbuchwintertag. Der Rest der Welt schlief wahrscheinlich seinen Kater aus, während uns das Auto sicher und ausgeruht in eine erholsame Woche nach Radstadt in die Schiwelt Amadé brachte.
Bevor wir nun in Gefahr liefen, uns in grenzenloser Faulheit dem Silversterstadl hinzugeben, nahmen wir den nächsten Programmpunkt des Aktivabends in Angriff: Brettspielen war angesagt. Für das eigens von Herrn Sommer aus dem Café Sperlhof ausgeborgte Cluedo entschieden wir uns dann doch nicht (dafür reichte meine intellektuelle Kraft nach dem hervorragenden Veltliner nicht mehr aus), dafür sollte es Bombenstimmung sein, die uns erwarten sollte. Wirklich! An den Namen des Spieles erinnere ich mich jetzt nicht mehr, aber David, der, seinen umfangreichen Talenten (siehe meinen Beitrag David vom 30. Dezember 2016) auch heute nachkam, erklärte Vater und Mutter, wie und wo es langgehen sollte. Die Bombe gab es tatsächlich, sie tickte, während die Runde knifflige Fragen aus dem Wortschatz zu lösen hatte und explodierte bei jenem, dem das nicht gelungen war. Nenne die Persönlichkeit, die sich hinter den Initialen BK verbirgt, bilde aus AACDDDFFFHIOMNPSU ein neues Wort, bestehend aus mindestens vier Buchstaben und allerlei Teuflisches mehr.
Wie die Zeit vergeht. Nach der Detonation der letzten Bombe galt es bereits, sich auf die Ankunft des Neuen Jahres vorzubereiten. Die Sektflöten wollten gefüllt werden, die Pummerin im TV gefunden und somit der anschließende Donauwalzer. Pünktlich um 0:00 2017 freute man sich, den Großteil eines harmonischen Abends miteinander verbracht zu haben, der Anlass gibt, optimistisch dem Jahr 2017 entgegen zu blicken, David unterstrich dieses, indem er sich bereit erklärte, mit seiner Mutter auch ein paar Walzertakte zu tanzen, und Rosi, die schussfeste Jagdhündin, reagierte unbeeindruckt auf das nun losbrechende Getöse von Böller & Co.
Also war es höchst an der Zeit! Jagdhündin, die Feuerwerker, verstärkt durch Dagmar, die Marketenderin, lenkten ihre Schritte zum nahegelegenen Donaukanal. Dort hatten sich schon Gleichgesinnte eingefunden, und nach Schampus und Donauwalzer gesellte sich nun auch der obligate, fast möchte man sagen, Sternschnuppenregen über unseren Köpfen hinzu, um das Neue Jahr zu begrüßen.
Wer die vielen Traditionen pflegt, wie Silvesterpfad, Raclette, Gesellschaftsspielen, Donauwalzer und Feuerwerk, kommt auch um das Bleigießen nicht herum. Daher besannen wir uns auch dieses alten Brauchtums, schmolzen und deuteten die seltsamen Plastiken, die aus der Wasser gefüllten Schüssel wieder auftauchten. Phallusse bei den Männern, Undeutbares bei der Frau. Das verheißt nur Gutes, man darf sich überraschen lassen.
Die mittlerweile bettschwere Runde raucht noch eine letzte Zigarette. Dann wurde es Zeit für mich zu gehen. Dagmar gelobte, noch die Leichen des Abends zu entsorgen, David widmete sich schon seinem Genuss-Joe vor dem Zu-Bett-Gehen, und ich warf mich in den warmen Wintermantel um die nächste U-Bahn zu erwischen, die mich nach Hause und ins Bett bachte.

Resümee: Nach Radstadt bringt uns morgen keine Auto, aber die letzte Woche im alten Jahr hat mir aufgezeigt, wohin der Weg führen kann. Wenn man seine Familie wiedergefunden hat, wartet auch stets eine Aufgabe: Urban Gardening zum Beispiel in diesem Jahr gemeinsam mit Dagmar, ein lustiger Urlaub vielleicht im Sommer zu dritt (Oder mehr? Siehe oben!), ein weiterer Schritt in eine Zukunft mit Perspektiven, ein Freund zu sein, auf den man sich verlassen kann.

2 Gedanken zu „Neujahrspost: So war unser Silvester“

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