Komposita: Gebirgsjäger

Wie erinnern uns: Zu einer Zeit, lange vor der unseren, als die Berge noch nicht sesshaft geworden waren und sie scheinbar ziellos um die Welt vazierten, ließ es sich nicht vermeiden, dass sie dadurch beim noch jungen Menschengeschlecht Verwirrung auslösten und nicht zuletzt bisweilen auch Schaden anrichteten. So fanden sich die ältesten des Menschengeschlechtes und zusammen arbeiteten fieberhaft daran, den ewig scheinenden Missstand zu beseitigen.

Denn wie konnte es angehen, dass der reiselustige Rainerhorn (heute: Venedigergruppe) sich mir nichts, dir nichts anschickte, um sich auf ein Kaffeetscherl mit seiner Verwandten, der, im übrigen landauf, landab als schwer verträgliche Bergzicke bekannte Parseierspitze (heute: Lechtaler Alpen) zu treffen? Wo doch jeder wusste, dass es bei einer Jause unter den zwei Bergen nicht bleiben würde, denn Rainer trug seinen Ruf nicht zu Unrecht und konnte sein Horn nur selten im Zaum halten. Was folgte, war in der Regel ein heftiges Bergbeben, sehr zum Nachteil der auf deren Almen friedlichen weidenden Bergziegen, die sodann beim Grasen gestört wurden, der schläfrigen Murmeltiere und auch der geschäftigen Schneehaserln, die, während sich das Gebirge Zank und Hader hingab, stets dabei gestört wurden, ihrer Lieblingsbeschäftigung zu fröhnen.
So konnte es nicht weitergehen: die ältesten des noch jungen Menschengeschlechts fassten einen Plan, welcher das zu jener Zeit herrschende Chaos in der Bergwelt ein für alle Mal in geordnete Bahnen lenken sollte. Man hörte von einem Volk, gar nicht so weit jenseits der schlimmen Gesellen in ihrem eigenen Land, benachbart und nur getrennt durch den schon damals domestizierten Arlberg, der sich in jenen Tagen schon fragte, wessen Berggeschlecht er angehören wollte, denn zu verschieden waren die beiden Welten, die er verstand, sorgsam voneinander zu separieren. Hier, im Osten regierte die scheinbar unbeherrschbare Wildnis, alles war erlaubt, was verboten war. Doch wenn er seinen Blick westwärts wandte: Dort hatte schon längst ein beschauliches Leben Einzug gehalten, bei Mensch, Tier und auch bei seinen Bergfreunden. Eiger thronte friedlich neben seiner Jungfrau, die hier unbehelligt von den begehrlichen Blicken der Bergkameraden ihr Dasein genießen konnte, auf ihren Wiesen grasten ungestört die Kühe, die  Milch für den schmackhaften Käse spendeten, den die Menschen gerne zu Raclette und Fondue veredelten, wozu sie gerne den Chasselas, der in den fruchtbaren Tälern und rund um ihre Seen gedieh, reichten.
So entsandten die Menschen von diesseits des Arlbergs Boten ins nahe Land der, nennen sie wir der Einfach halber Helfetier, denn ihnen oblag es nun, den Nachbarn der östlichen Hemisphäre mit umfangreichem Rat zur Seite zu stehen. Und es begab sich, dass sich schon bald so genannte Gebirgsjäger aufmachten um den wilden Bergen, heute erinnert etwa noch der Wilde Kaiser im Heiligen Land Tirol an die dunklen Zeiten, Einhalt zu gebieten und ihnen ihre Plätze zuzuweisen, wo sie fortan als hehre Schirmherren und -damen über Land und Leute wachen sollten.
Doch die Helfetier waren auch damals schon noch einen Schritt weiter. Nicht nur die Sesshaftigkeit war es, die sie ihren Freunden, den Bergen, beibringen konnten, nein, sie nahmen auch Bedacht darauf, dass diese sich stets in adrettem Gewand der Welt darstellten. So entstanden nebst ihrer eigenen üppigen Pracht unter dem Menschengeschlecht bald auch neue Berufe, die nun auch darauf abzielten, dass sich Helfetien zu einem wahrhaften Juwel entwickeln sollte. Drunten im Tal schufen Handwerker wie Schneidermeister, Schmiede, Bäcker, Köche und strenge Finanzbeamte ein freudvolles Miteinander, Wachmänner sorgten für Recht und Ordnung, Köche für das leibliche Wohl, Bergführer schließlich für den rechten Weg, wenn es anstand, den großen, hehren Wächtern über all das Wohlbefinden einen Besuch abzustatten.
Doch was mussten sie da sehen? Steinadler, Fink und Spatz trieben hoch oben, jenseits der Baumgrenze, ihr Unwesen! Verloren hier und da einiges ihrer selbst, waren nicht auf den Weg der Tugend und Sauberkeit zu führen! Das war den Helfetiern stets ein Dorn im Auge, bis eines Tages unerschrocken die Felsenputzer ans Tageslicht traten und Helfetien vor dem Schlimmsten bewahren sollte …

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