Der Schlüsselbund

Dienstag ist ja Schreibstunde in der Wiener Urania, wie treue Leserinnen und Leser dieser Plattform wissen. Heute ging es darum, den Requisiten des täglichen Gebrauchs Leben einzuhauchen. Und was lag daher näher, als sich mit meinem Schlüsselbund auseinanderzusetzen, der mich regelmäßig mit kaum zu bewältigenden Aufgaben konfrontiert …

Es hatte ein halbes Leben gedauert, bis er die gewünschten Dimensionen nicht überschritt, denn das war ihm stets wichtig und konnte doch so lange nicht erreicht werden. Ziel war, dass sich auf dem Schlüsselbund ein Generalschlüssel befand, also der Koordinator für Haustor, Wohnungstüre und idealerweise auch für den Postkasten. Die Waschküche und den Keller, bzw. das eigene Abteil dort sollte man ebenso auf und versperren können. Das war, als er seine neue Wohnung vor einigen Jahren bezog, nun keine Utopie mehr, hier, in diesem Haus hatte man es geschafft, allen seinen diesbezüglichen Wünschen gerecht zu werden. Der zweite Schlüssel, dem er Zugang zum Bund erlaubte, war der für das Fahrradschloss, widerwillig zwar, aber unvermeidlich, denn zu viel an logistischem Feingefühl konnte er auch der Hausverwaltung nicht zumuten.

Und das war’s dann auch schon an der Schlüsselfront. Mehr wollte er diesem Lebensbereich nicht widmen, außer, dass sich an dem Ring, der ihn fast immer begleitete, auch eine kleine Ausgabe eines Schweizermessers befinden durfte, in klassischem rot gehalten, und es verfügte auf kleinstem Platz über ein Messer, das man ausklappen konnte, eine Nagelfeile, die gleichzeitig auch über einen Schraubenzieher verfügte, sowie einer Nagelschere. Das obere Ende gab einem Zahnstocher und einer Pinzette Platz.

Somit war er im Grunde für die Herausforderungen des täglichen Lebens bestens ausgestattet. Kaum etwas würde ihn noch erschüttern können, hätte er nicht auf den besten Freund des Schlüsselbundes vergessen: Er hatte es tatsächlich verabsäumt, diesem ein Heim zu schenken, einen Ort, wo auch er geruhsam sein, sagen wir, Haupt betten konnte, bis ihn der Herr und Meister am folgenden Morgen von dort abholte, ihn mit auf den Weg nahm, damit Tür und Tor auf- und versperrt werden konnten, der Drahtesel gesattelt und man vielleicht noch letzte Unregelmäßigkeiten der Toilette korrigierte. Ja wenn! Den Platz für ihn, den Schlüsselbund gab es aber nicht, und so blieb ihm nichts Anderes übrig als Abend für Abend, Morgen für Morgen verzweifelt nach ihm zu suchen.

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