Das Leben und ich

So nennt sich Vicky Leandros’ Tournee anlässlich ihres 50-jährigen Bühnenjubiläums, im dessen Rahmen sie am 30. April auch im Wiener Konzerthaus Station machen wird. Wir trafen die erfolgreiche Sängerin zu einem Gespräch.

Ohne ihr schmeicheln zu wollen, aber neben einer hinreißenden Gesprächspartnerin treffen wir eine Frau, der man nicht glauben möchte, dass ihr erster Welthit, „L’amour est bleu“, den Vicky damals für Luxemburg auf dem Grand Prix d’Eurovision gesungen hatte, aus dem Jahr 1967 datiert. Diesem ersten internationalen Erfolg folgten im Lauf der Zeit ein erster Platz beim Song Contest, wir erinnern uns an „Aprés toi“ im Jahr 1972 und ein nicht und nicht aus unseren Ohren gehen wollendes „Theo, wir fahr’n nach Lodz“. Vicky Leandros blickt mittlerweile auf 500 Album-Veröffentlichungen in 55 verschiedenen Ländern zurück, unzählige Gold- und Platinauszeichnungen und eine Menge Preise und Auszeichnungen, welche ihr zwischen Kanada und Japan verliehen wurden, denn international gestaltet sich auch ihre Fangemeinde: ihre Konzerte waren und sind in Europa ebenso umjubelt wie jenseits den so genannten Großen Teichs, bis hin in den fernen Osten. Ihre Lieder erschienen bislang in vielen Sprachen, und wie kreativ und unternehmungslustig sie in der Arbeit mit hochkarätigen Künstlerkollegen war, zeigt ein Who Is Who renommierter Chansoniers und Schlagerstars: dazu zählen etwa Jacques Brel, Chris de Burgh, Naidoo oder der von ihr so verehrte Landsmann Mikis Theodorakis, dem sie 2003 ein ganzes Album gewidmet hatte.

So gesehen, dürfte ein Konzertabend mit der viel Umjubelten demnächst so manchen Rahmen sprengen, denn sie verspricht, sich im Lauf des Abends an die eine oder andere Station ihres vielfältigen Lebens zurückzuerinnern, „aber, keine Angst, nicht allzu sehr, denn ich ziehe es vor, nach vorne zu schauen, und da steht natürlich mein aktuelles Album im Zentrum des Geschehens.“ Und relativiert auch gleich den Titel: „Ich weiß, dass ich nichts weiß, wir alle kennen den Ausspruch von Sokrates, könnte vermuten lassen, dass ich mich nun, ich bin ja auch reicher an Jahren geworden, in altersbedingter Weisheit zurückziehen und das Leben bereits aus einer Distanz der Weisheit betrachten könnte,“ lacht sie, „aber so ist es nicht: Es mag schon stimmen, ich bin zwar reicher an Lebenserfahrung, aber doch stets dieselbe geblieben: abgesehen davon, dass ich noch immer in Gefahr laufe, dieselben Fehler zu machen, habe ich heute noch unheimliches Lampenfieber vor jedem Auftritt. Ich bin auch neugierig, lern- und wissbegierig geblieben.“

So wird uns die alte, neue Vicky Leandros, die uns mit ihrem wohl persönlichsten Album und den entsprechenden Liedern in den letzten Wochen so viel Freude bereitet hat, auch in ihrem Konzert spüren lassen, dass wir uns genauso auf eine Bilanz nach einem halben Jahrhundert freuen dürfen, wie auch auf herzerfrischende weitere viele Jahre mit der Ausnahmesängerin.

Erschienen in der Stadlpost vom 8. März 2016